Neuanfang am Jabal Al-Hoss

Eigentlich war schlechtes Wetter angekündigt, doch dann wölbt sich am Morgen ein strahlend blauer Himmel über das vom Krieg geschundene Land. Der heftige Regen in der Nacht hat große Pfützen und viel Schlamm auf den Straßen hinterlassen, die teilweise unbefestigt durch die kleinen Dörfer führen. Die Geschäftsfrau Heike Weber ist mit dem Fahrer Joseph auf dem Weg zu den Stickerinnen vom Jabal Al-Hoss, einer Hochebene im Umland von Aleppo. Die Frauen haben bis 2012 für das Stickereiprojekt Anat gearbeitet. Der Krieg habe die Stickerinnen aber in alle Himmelsrichtungen vertrieben, erzählt Heike Weber, selber eine begnadete Handarbeiterin, während Joseph den Wagen geschickt um die tiefen Schlaglöcher steuert. Die Kontakte zu den Frauen waren abgebrochen, bis diese Ende 2021 plötzlich angerufen hätten. »Eine meldete sich aus dem Libanon, andere aus Aleppo und aus Orten um Aleppo herum«, sagt sie. Sie hätten von Frauen erzählt, die jetzt in den Gebieten unter den Kurden oder an der türkischen Grenze in Azaz teilweise in Lagern lebten.

Die Reportage erschien im Neuen Deutschland am 17.03.2022: nd-220316-Neuanfang-Jabal-Hoss-komprimiert